Der Medienwandel vom Analogen zum Digitalen ist in vollem Gang. Allerspätestens heute dürften auch die letzte Medienignorantin und der letzte Medienignorant gemerkt haben, dass sich die Zeiten ändern: Der Springer-Verlag hat bekannt gegeben, dass er sich von einer Vielzahl eigener Blätter trennt. Mit dabei sind sogar Traditionsmarken wie das „Hamburger Abendblatt“ oder die Programmzeitschrift „Hörzu“.
Viele haben einen Abgesang auf den Journalismus und den Print-Journalismus im Besonderen angestimmt und es gibt kaum Widerworte. Die Zahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) zeigen seit Jahren über fast alle Bereiche hinweg nach unten. Lediglich das eskapistische Wohlstands-Magazin „LandLust“ hatte sich jahrelang dagegen gestemmt und einer Flut von Nachahmern Tür und Tor geöffnet. Aber sogar dieser Fels in der Brandung scheint so langsam abgeschliffen, denn im Vergleich zum Vorjahresquartal wuchs die Zeitschrift im vergangenen Quartal lediglich um rund ein Prozent.
So war das vergangene Quartal laut IVW einmal mehr ein Zeichen, dass sich die Zeit des gedruckten Journalismus dem Ende nähert. Redaktionen werden zusammengelegt, neue Gesellschaften gegründet, um bestehende Tarifverträge auszuhebeln oder bestehende Blätter komplett entseelt.
Auch die erfolgsverwöhnte Axel Springer AG musste sich ansehen, wie die Auflage der hauseigenen Papierprodukte Jahr um Jahr sank. Berühmtestes Beispiel hierfür sind die Auflagen von „Bild“ und „Bild am Sonntag“: von über 4,5 Millionen 1998 auf etwa 2,5 Millionen 2013. Nun ist der Springer-Verlag nicht gerade für Zimperlichkeiten bekannt, aber es erstaunt dennoch die gesamte Medienwelt, mit welcher Konsequenz der Verlag auf die Entwicklung reagiert: Er verkauft die Regionalzeitungsgruppen „Berliner Morgenpost“ und „Hamburger Abendblatt“, außerdem mit „Hörzu“, „TV Digital“, „Funkuhr“, „Bildwoche“, „TV Neu“, „Bild der Frau“ und „Frau von Heute“ fünf Programm- und zwei Frauenzeitschriften. Der Papierberg geht für 920 Millionen Euro an die Funke Mediengruppe – früher bekannt als Verlag der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ). Auch wenn die Auflagenzahlen nach unten gehen, noch sind die verkauften Medien profitabel und die WAZ hat Erfahrung mit Sparen und Zusammenlegen. Kein Zynismus: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verkauften Blätter tun mir leid.
Springer will weg vom Print ins Digitale. Unsereins denkt sofort: „Alles klar, das ist ja ein Verlagshaus. Die produzieren Inhalte, also machen die jetzt noch mehr Web-Portale und iPad-Magazine, denn darin liegt ja die Zukunft.“ Aber so einfach ist es nicht, denn sein Geld verdient Springer im Digitalen nicht mit klassischem Journalismus, sondern mit allerlei digitalem Gedöns: neben Audio-, Video- und Textproduktion auch Job-Such-Plattform, Immobilien-Portal, Preisvergleichs-Seite und vielen Dienstleistungen. Insofern bedeutet der Schritt „weg vom Print ins Digitale“ auch, dass sich das ehemalige Verlagshaus in ein Konglomerat mit Medien-Anhang wandelt.
Man muss der Geschäftsführung um Matthias Döpfner zugute halten: Sie reagiert und jammert nicht nur, sondern sie agiert, sie sieht die Zeichen der Zeit, wertet ihre Zahlen aus und zieht radikale Konsequenzen. Das ist beeindruckend, aber mit der Idee einer „vierten Gewalt“ ist das Ganze nicht mehr vereinbar.
Die vom Verkauf erhaltenen Millionen könnte Springer nun für den Ausbau der eigenen Digitalstrategie einsetzen und den kolportierten Einstieg bei Scout24 finanzieren. Mit Journalismus hat der Einstieg – kaum überraschend – aber nichts zu tun. Wir sehen also derzeit in zweierlei Hinsicht Schritt für Schritt den Medienwandel vor unseren Augen: Der Journalismus, wie wir ihn kennen, hat keine Zukunft und führende Verlagshäuser sehen in der Inhaltsproduktion nicht mehr ihre Hauptaufgabe.
Bildquelle: Wikimedia
Ein Gedanke zu „Springer und das digitale Gedöns“
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