Nimm kein unbezahltes Praktikum an

Hufington Post Deutschland sucht kostenlose Schreiber

“Ja, wer was auf sich hält in diesem Land
Geht nach Berlin und wird berühmter Praktikant”
Jan Delay, Showgeschäft (2009)

Mach kein unbezahltes Praktikum!

Der einzige Fall, den ich gelten lasse, ist ein Schülerinnen- / Schülerpraktikum. Fünf Tage in einen Betrieb hineinzuschauen, muss nicht unbedingt bezahlt werden. Eine kleine Anerkennung für die Arbeit sollte schon drin sein, ich denke da an ein Buch, eine CD oder etwas Ähnliches in dieser Preiskategorie.

Alles, was über vier Wochen hinausgeht, sollte angemessen bezahlt werden. Die meisten Praktika, die man als Studentin oder Student macht, dauern drei bis sechs Monate. Das ist genug Zeit, das Unternehmen und die Arbeit kennenzulernen und auch genug Zeit, produktiv für das Unternehmen tätig zu sein.

1. Unbezahlte Praktika sind asozial

Menschen, die unbezahlte Praktika annehmen, zeigen Unternehmen, dass es Leute gibt, die gewillt sind, derartige Vereinbarungen einzugehen. Damit werden die Tabellenkalkulations-Fetischisten in den Unternehmen darauf beharren, weiterhin nach Kräften zu suchen, die die Arbeit kostenlos erledigen. Der Wert der Arbeit wird auf diese Weise verdorben. Ein aktuelles Beispiel hierzu ist das Vorgehen der deutschen Ausgabe der Huffington Post: Am 10. Oktober möchte der US-Ableger hier in Deutschland starten und sucht noch Schreiberlinge, aber was sie leider nicht bieten kann: “Geld für die Beiträge”. Da haben wir’s: Es gibt Menschen, die von ihrem Geschriebenen leben möchten. Sie werden es nicht können, wenn ihre Kolleginnen und Kollegen die gleiche Arbeit für lau erledigen.

2. Unbezahlte Praktika sind asozial

Liegt man den Eltern noch auf der Tasche, mag es möglich sein, ein unbezahltes Praktikum anzunehmen. Was aber mit den vielen Job-Suchenden, die nicht von ihren Eltern durchgefüttert werden, weil die das gar nicht können? Menschen, die unbezahlte Praktika annehmen, helfen dabei, den Graben innerhalb der Gesellschaft zwischen wohlhabend und arm zu vertiefen.

3. Unbezahlte Praktika sind lebensfremd

Die Dinge des Alltags kosten nunmal Geld. Wenn Verkäufer, Bäcker, Schneider und Schuhmacher sich auf den Handel einlassen, dass es für sie eine tolle Erfahrung und ein großer Erkenntnisgewinn ist, wenn ich deren Läden betrete und die Ware ohne sie zu bezahlen mitnehme, dann kann ich auch gerne ein unbezahltes Praktikum annehmen.
Die Begriffe “Erfahrung” und “Erkenntnisgewinn” lassen sich in diesem Beispiel problemlos durch andere Bullshit-Bingo-Begriffe wie “Kontakte”, “Netzwerk” oder “Ruhm, Ehre und Reichweite” ersetzen.

4. Unbezahlte Praktika sind nichts wert

Bekommt man für ein Praktikum nichts, dann weiß man hinterher auch nicht, wieviel das Praktikum intersubjektiv wert war. Beim nächsten Praktikum weiß ich dann nicht, wie ich ansetzen soll: “Kann ich jetzt Geld verlangen? Ist ja schließlich bereits mein zweites.” Oder: “Wieviel Geld darf ich verlangen?” Meine Unsicherheit ist groß und spielt somit Ausbeuterbetrieben in die Hände, deren Management ihr Geld durch die Arbeit unbezahlter Praktikanten verdient. Denn aufgrund meiner Unsicherheit können sie mich hinhalten, mit leeren Versprechungen abtun oder einfach übergehen.
Seid ihr in der Wirtschaft? Geht es um eure Arbeit? Dann denkt immer daran: “Was nichts kostet, ist nichts wert.”

Habt ihr Feierabend? Dann vergesst bitte nicht, dass es viele, viele Dinge gibt, die sehr  wertvoll sind, die man aber mit Geld nicht bezahlen kann.

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