Kaum eine Woche vergeht derzeit, ohne dass aus der Medienwelt eine neue Nachricht bekannte Muster durcheinander rüttelt. War es vor kurzem der Verkauf von Springers Abendblatt & Co an Funke, so ist es jetzt der Verkauf der Washington Post an Amazon-Chef Jeff Bezos.
Für 250 Millionen US-Dollar übernimmt Bezos von der Verleger-Familie Graham die renommierte Tageszeitung. Die Washington Post gilt neben der New York Times als Aushängeschild für journalistische Qualität. Leider ist die Zeitung seit Jahren defizitär und nun ist für den Inhaber anscheinend die Zeit gekommen, in der er das nicht mehr tragen kann oder tragen möchte. Für Bezos, dessen Vermögen auf 25 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, stellt der Kauf nur ein geringes Risiko dar.
Was aber wird sich durch den Besitzerwechsel ändern? Ist der Kauf die Rettung der Zeitung? Die Rettung des Qualitätsjournalismus?
Bezos, der Heiland aus dem Netz
Zwar ist die Überraschung unter den Schreiberlingen groß, denn mit Bezos‘ Einstieg in den Zeitungsmarkt hat wohl niemand gerechnet, aber es gibt kein großes Entsetzen, dass mit der Übernahme nun der eiserne Besen durch die Redaktionsräume fegen wird. Vielmehr genießen Bezos und auch Amazon erstaunlich große Sympathien. Die Aufregung, dass Amazon seine Versandangestellten unter schlechten Bedingungen arbeiten lässt, jedes Jahr zum Weihnachtsgeschäft die Sozialgesetze der Bundesrepublik ausnutzt, die eigenen Kunden ausspioniert, die Konkurrenz durch Steuervermeidung verdrängt oder bei Passwörtern pfuscht, ist der Nerd-Gemeinde keinen großen Aufschrei wert, es wird lieber schön über Prime weiterbestellt. Der Kindle als toller Reader in den Himmel gelobt, Aktionen, wie das zentrale Löschen eines gekauften Buchs auf den Kindles der Kunden werden vergessen und vernachlässigt.
Über Bezos heißt es, er sei geduldig und nicht auf den schnellen Profit aus. Ist Bezos nun tatsächlich der große Wohltäter, der die Post als Hobby am Leben erhalten wird? Ein Mäzen? Zum Teil wird er gar als Heilsbringer gefeiert, der den verschnarchten Printverlegern ein bisschen Frische aus dem Netz bringt. Lediglich dem Verkauf an sich und der verkaufenden Familie schlägt ein wenig Kritik entgegen.
Nur sehr wenige Menschen wissen, was den Amazon-Boss zu diesem Schritt bewogen hat, aber ich bin mir sehr sicher, dass es überhaupt nichts mit nett, naivem Gutmenschentum zu tun hat. Vielmehr ist der Schritt wohlkalkuliert.
Lobbyarbeit par excellence
Bezos ist nicht blöd. Er rüstet sich und sein Unternehmen Amazon für die Zukunft. Bezos wird nicht durch die Redaktionsräume der Post schreiten und diktieren, was in die Artikel kommen soll. Er wird seine Journalisten auch nicht zu Gunsten Amazons schreiben lassen. Die Kontakte, die Reichweite und das Renommee der Zeitung wird Bezos sehr wohl einzusetzen wissen, denn nun öffnen sich auch die letzten Türen zu Staat und Verwaltung, die dem ohnehin bewunderten und willkommenen Unternehmer bisher verschlossen waren – Lobbyarbeit par excellence.
Und wenn jetzt einer sagt: „Aber das ist alles ganz falsch, denn nicht Amazon hat die Washington Post übernommen, sondern Jeff Bezos als Privatmensch.“, dann fällt mir dazu nur ein einziges Wort ein: Niedlich.
2 Gedanken zu „Amazon kauft die Washington Post“
Kommentare sind geschlossen.